Eine kurze Geschichte des modernen Yoga
Beim Recherchieren des Begriffs Yoga landet man zuerst bei Patanjali, dem "Vater des Yoga". Er schrieb die erste Zusammenfassung der spritiuellen Ideen im Yoga-Sutra [1] („Yoga-Leitfaden“). Das Buch ist ca. 1800 Jahre alt und beschreibt verschiedene Geisteszustände und ihre Verknüpfung mit unserem Körper und dem Göttlichen. Patanjali war der Ansicht, dass man den Körper beherrschen muss, um den Geist auf eine höhere Ebene zu bringen. So gelingt es, sich von den Illusionen unserer Realität zu lösen und damit auf der nächsten Entwicklungsstufe wiedergeboren zu werden. Im Mittelpunkt stand für ihn die Meditation in einer angenehmen aufrechten Haltung (z.B. Lotus- oder Schneidersitz).
Yoga nimmt Form an
Alte Reiseberichte aus Indien erwähnen häufig die Yogis und ihre beeindruckenden körperlichen Fähigkeiten [2]. Das erste schriftliche Zeugnis stammt aus dem 16. Jahrhundert von Swami Swaratmarama, der eine Anleitung über Hatha-Yoga als Abfolge von 16 Posen und Handhaltungen verfasste [3]. Einige seiner Posen gehören auch heute noch in das Standard-Programm jeder Yoga-Stunde. Swami Swaratmarama und seine Schüler entwickelten die Idee von der Beherrschung des Körpers nach Patanjali weiter und nutzten dafür Posen wie Savasana (Totenhaltung) und Pashimatasana (Vorwärtsbeuge im Sitzen), aber auch sehr komplexe Haltungen, die man heute nur selten antrifft, z.B. die Schildkröte (Vorwärtsbeuge mit gespreizten Beinen im Sitzen und den Armen unter den Beinen). Ein weiterer Aspekt in der Lehre von Swami Swaratmarama ist der Fokus auf Atem und Bewegung, um den störenden Gedankenfluss (Monkey Mind) auszuschalten. Daher stammt auch der in Yoga-Studios vielzitierte Satz citta vridhi nirodha ("Stille die Wogen deines Bewusstseins") [3].
Aufbruch in den Westen
Patanjali und Swami Swaratmarama wurden oft unter indischen Philosophen diskutiert, waren aber ausserhalb des Subkontinents eher unbekannt. Dies änderte sich Anfang des 20. Jahrhunderts mit dem indischen Brahmanen und Arzt Swami Sivananda Saraswati. Er arbeitete viele Jahre als Arzt in Malaysia und kam dabei auch mit Christentum und Islam in Berührung. Er war fasziniert von der Idee, dass alle Religionen im Grunde gleich sind und brachte dies in seine Yoga-Lehre ein. Dies war Inspiration für seine Schüler Yoga ausserhalb Indiens, unabhängig vom religiösen Hintergrund, zu lehren.
Einer von ihnen war der Yogi Vishnudevananda, der sich 1957 in Nordamerika ansiedelte. Er bemerkte schnell, dass das hektische Leben im Westen einen Ausgleich brauchte und eröffnete eine der ersten Yoga-Schulen ausserhalb Asiens in Montreal. Er konzipierte Yoga-Urlaube in Kanada und auf den Bahamas und konnte die alten Lehren erfolgreich in das moderne amerikanische Leben integrieren [4, 5]. 1972 eröffnete er ein Lehrzentrum in Wien und brachte Yoga damit auch nach Europa.
Vishnudevanandas Lehren waren zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Die spirituelle Seite des Yoga und die Idee der religiösen Einheit passten in den Zeitgeist der Friedensbewegung und 68er, als nach alternativen Lebensmodellen gesucht wurde. Die Lehren von Swami Vishnudevananda sprachen sowohl Menschen auf der Suche nach Spiritualität, als auch Workaholics an, die nach Momenten der inneren Ruhe suchten, ohne sich mit Mysterien indischer Tradition auseinandersetzen zu müssen. Die bis heute erhaltenen Sanskrit-Bezeichnungen der Yoga-Posen zeugen noch heute vom indischen Erbe. Swami Vishnudevananda legte den Grundstein für eine Vielzahl moderner Stilrichtungen, die sich frei nach den westlichen Bedürfnissen entwickeln konnten – ob Fitness, Meditation im Alltag oder drogenfreier Halluzination. Im modernen Yoga findet jeder Körper und Geist das Passende.