Serie Atemtechniken
Atemtechniken im Selbstversuch
Es gibt Dinge, die vergisst man nie wieder, wenn man sie einmal begriffen hat. Das sind zum Beispiel Fahrrad- und Autofahren, Prozentrechnung und im Yoga auch die Bauchatmung. Ich wünschte, mir hätte schon mit 14 Jahren mal jemand erklärt was der Unterschied zwischen Brust- und Bauchatmung ist und wie ich das für mich nutzen kann. Leider musste ich doppelt so alt werden um die Genialität von tiefer Atmung zu erkennen, da hat sich auf einmal der Vorhang des „Raum schaffens“ aufgetan. Danke Yogi Tara Stiles [1] für die wunderbare Erklärung!
Bei Stress die Abkürzung nehmen
Emotionaler Stress macht sich körperlich sofort beim Atem bemerkbar. Fühlen wir Stress, Angst, Panik (oder einfach den normalen Alltagswahnsinn) atmen wir kurz und flach im Brustbereich, beanspruchen also nur wenig Raum unseres Lungenvolumens. Der einfachste Weg aus der emotionalen Sackgasse ist dann Bauchatmung: durch die Aktivierung des Zwerchfells wird das gesamte Lungenvolumen ausgeschöpft, wobei sich der Bauch stark hebt und senkt [2]. Sogleich sinkt der Puls, Verspannungen lösen sich, man fühlt wie in Kopf und Körper auf einmal mehr Platz ist. Nie war ich dankbarer für Bauchatmung als auf einem von Turbulenzen durchpflügten Flug von Zürich nach Wien: stell dir ein ausgebuchtes Flugzeug vor, voll mit Menschen die entweder weinen, beten oder einfach regelmässig aus Angst und Panik aufschreien. Eine Stunde heftigste Turbulenzen, die selbst den Flugbegleiterinnen die Angst ins Gesicht schrieben. Ich versetzte mich zurück ins Yogastudio: langsam einatmen und den Bauch aufblasen, Luft anhalten, langsam ausatmen, Luft anhalten, wiederholen. Sekunden zählen um die Atmung zu verlangsamen und immer schön darauf konzentrieren, nur nicht von der hysterischen Welle ergreifen lassen. Nach einiger Zeit war ich ruhig genug, um auch meine Nachbarin zu beruhigen und ihr ein wenig inneren Frieden von mir abzugeben. Tolles Gefühl! Sicher in Wien gelandet, wurde mir schlagartig klar was für ein geniales Werkzeug diese simple Atemübung ist. Warum lernen wir das nicht in der Schule, warum macht das nicht jede*r, wenn es doch so einfach ist?
Aus dieser Frage entsteht nun die nächste: Geht da noch mehr, gibt es vielleicht eine Atemtechnik für jede Lebenslage? Im Yogalehrer-Training sieht es so aus, als wäre das so. Da gingen wir eine ganze Reihe von Techniken durch, jede für einen anderen Zweck [3]. Zugegeben, auch nach dem Lehrer-Training bin ich erstmal bei meinen persönlichen Evergreens geblieben und habe die ganze Vielfalt des Atmens nur selten in meine Yoga-Sequenzen integriert. Doch damit ist jetzt Schluss, ab jetzt wird fleissig geatmet! In meiner Reihe zu Atemtechniken fasse ich ihre Theorie und Praxis zusammen und teile meine Erfahrungen. Kann der kühlende Atem an einem heissen Tag wirklich Linderung verschaffen? Kann ich meine geliebte Bauchatmung durch effizientere Techniken ersetzen um Ängste und Panik zu bekämpfen? Kann der Atem nach dem Aufstehen mehr als ein starker Kaffee? Einiges hat mich überrascht, zugegeben manches auch enttäuscht. Am Ende wirkt auch nicht jede Technik bei jeder Person gleich, also musst auch du das ein oder andere mal für dich ausprobieren.
Quellen und Verweise
[1] Tara Stiles, „Wie Yoga heilt“, Knaur Verlag, 4. Auflage, 2013.